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Stimmen zum 20 Jahre Jubiläum ACC

Monika Riwar
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Monika Riwar über die Anfänge, die Zusammenarbeit mit ACC Gremien aus anderen Ländern und über kommende wichtige Themen.

Reto Zimmerli
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Reto Zimmerli über die Sensibilisierungsarbeit der ACC für Qualitätsstandarts in der Seelsorge.

Karl Flückiger
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Karl Flückiger über die Erfolge und Schwierigkeiten der ACC in der Pionierphase. 

Philipp Probst
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Philipp Probst war von der ersten Stunde an dabei! 

20 Jahre ACC in der Deutschschweiz: Rückblick der Mitbegründer Karl Flückiger und Philipp Probst 

Drei Zutaten führten zur Entstehung von ACC in der Deutschschweiz: das neue Denken über das Verhältnis von Seelsorge und Therapie, die Sorge und das Engagement für gute, verlässliche seelsorgerliche Beratung und Begleitung sowie eine kleine Truppe leidenschaftlicher Menschen, die sich auch nicht vor Auslandskontakten scheuten. 

Das neue Denken über das Verhältnis von Seelsorge und Therapie 

Unter den Christen erfolgte in den 90er Jahren langsam ein Paradigmenwechsel: War es vorher so, dass grossmehrheitlich therapeutische Methoden grundsätzlich als unnötig, verdächtig oder gar des Teufels erachtet wurden (manchmal wurde auch über Psychopharmaka so gedacht), so entstand eine Offenheit, Seelsorge und Therapiemethoden zu kombinieren – mit verschiedenen Konzepten. Die säkularen Methoden „taufen“ war ein Begriff, den ein VBG-Exponent prägte. Alles zu prüfen und das Gute zu behalten, war ein anderer Weg (Eklektizismus also). Integration der christlichen Grundsätze in eine bestehende therapeutische Schule ein dritter – er wurde mehrfach von Alfred-Adler-Geschulten begangen. Was in Landeskirchen-Kreisen begonnen hatte, setzte sich auch in freikirchlichen Kreisen fort. So weit wie Stollberg, der sagte, Seelsorge sei Psychotherapie im kirchlichen Kontext, ging aber keine Richtung. 

 

Die Sorge und das Engagement für eine gute, verlässliche seelsorgerliche Beratung / Begleitung 

Die Initianten des ACC Deutschschweiz hatten von ferne oder nah miterlebt, wie in Gemeinden oder in christlichen therapeutischen Gemeinschaften seelsorgerliche Interventionen unsorgfältig erfolgten: überstülpt ohne Einwilligung der Ratsuchenden; durch die seelsorgerliche Beziehung in eine  sche Abhängigkeit gebracht statt in eine eigenständige Verantwortlichkeit; gedrängt zu Schritten, die dem Ratsuchenden nicht entsprachen und ihn tiefer in sein Elend stürzten; die Vermischung von Leitungsrolle und Seelsorge förderte den Machtmissbrauch; das Fehlen von kritische Selbstreflexion durch Intervision oder Supervision; auch das Fehlen von Wissen von Übertragungen; keine Deklaration des Menschenbildes und Reflexion der christlichen Grundhaltung; das Fehlen von Hinweisen zu guter Beratung; eine Anlauf- und Ombudsstelle, wenn die Beratung sich ins Schlechte kehrt. 

 

Eine kleine Truppe leidenschaftlicher Menschen 

Es war erstaunlich, wie aus dem Nichts ein Verband entstehen konnte, ohne Finanzen, nur durch Engagement. Ein kleiner Hafen sammelte viele verschieden Menschen rund um das Anliegen von Seelsorge mit Qualität. Dies hat viele bewegt, viele begannen sich zu engagieren. 

Inspiriert wurden wir von der damals stark gewachsenen ACC in England. Quer durch England und seine verschiedenen Denominationen waren und sind akkreditierte Berater in verschiedenen Levels für Ratsuchende verfügbar. Definierte Kriterien sichern Qualität. Die Organisation in England kann sich mehrere Teilzeitstellen leisten – und eine staatliche Anerkennung der „christlichen Beratung“ durch den Staat stand bevor – diese kam dann auch und generierte zusätzliches Geld, gesellschaftliches Ansehen und Breitenwirkung. 

Wir waren ein paar Seelsorgebegeisterte, die im Jahr 1999 in Zürich ein europäisches Treffen organisierten. Die Engländer referierten. Dazu haben wir alle möglichen Vertreter aus Beratung und Seelsorgeausbildungen eingeladen – und es kamen viele. Die Idee eines ACC Deutschschweiz entstand – und dazu viele Fragen: Welche Qualitätsansprüche sind bei uns nötig? Wie können wir gemeinde- und organisationsübergreifend zusammenarbeiten? Wie sind die Ausbildungsstätten eingebunden? 

 

Die Ansprüche bei der Gründung 

Mit der Gründung des Vereins ACC Deutschschweiz am 12. April 2002 entwickelten wir damals folgende hochfliegende Ansprüche. ACC Deutschschweiz strebte an: 

1. Seelsorge so bekannt machen, wie es Psychologen ober Astrologen sind, und damit eine gesellschaftliche Relevanz entwickeln. 

2. Seelsorge / christliche Beratung ist ein anerkannter Titel, ein Berufsbild …

3. ...und ebenso Krankenkassenberechtigt, wie es manche Alternativ-Medizin ist. 

4. Kirchgemeinden stützen sich auf ACC, wenn sie Seelsorge verstärken oder neu im Gemeindemodell implementieren wollen – auch um sog. Inzest-Seelsorge entgegenzuwirken. 

5. Es gibt eine gemeinsame Plattform für Seelsorge und christliche Beratung. 

6. Gemeinsame Qualitätsstandards über alle Ausbildungsstätten weg werden festgelegt – so dass eine Durchlässigkeit entsteht, jeder sich an verschiedenen Orten aus- und weiterbilden kann. 

7. Supervision als Qualitätsmerkmal Nr. 1 wird übergreifend gefördert, eine gemeinsame Ausbildung entsteht. 

 

Was ist aus diesen Anliegen geworden? 

1. Seelsorge resp. christliche Beratung blieb insgesamt eine Nischentätigkeit. Wohl haben sich da und dort christliche BeraterInnen sehr erfolgreich auf dem „Markt“ behauptet und konnten es – regional beschränkt – in der Bekanntheit mit dem Zulauf von säkularen Beratern aufnehmen. ACC stärkte ihnen anfangs den Rücken, später war es dann eher umgekehrt: erfolgreiche Beraterinnen stärkten ACC das Renommee. Immerhin konnte ACC mithelfen, dass die christliche Beraterszene am besten über das Internet auffindbar ist.

2. Christliche Beratung als Berufsbild?

Monika Riwar hat an der Formierung der schweizerischen Gesellschaft für Beratung SGfB mitgearbeitet und war eine Zeit lang auch in deren Vorstand. Als sich diese Gesellschaft für Beratung formierte, war das ein Zeichen in der Richtung, dass neben Psychotherapie auch Beratung ein anerkanntes Berufsfeld werden kann – und die christlichen Ausbildungen darin eingeschlossen sind. Mit der Präsenz von Monika Riwar geschah das auch. Und als 2013 von der Eidgenossenschaft der Berufstitel „Beraterin, Berater im psychosozialen Bereich mit eidgenössischem Diplom“ geschaffen wurde, war das Ziel eigentlich erreicht. So war dieses Engagement auch das nachhaltigste.

In diesem Verband war denn die absolute religiöse Neutralität auch nie Thema, sondern der Nachweis eines reflektierten Menschenbildes und eine deklarierte offene religiöse Haltung waren Kriterien – ähnlich im Verband für Systemische Therapie, bei dem Jörg Schori, dann Karl Flückiger im Vorstand mitwirkten.

3. Anfangs war die von ACC initiierte und vom BSO anerkannte Supervisonsausbildung ein Hoffnungsträger in Richtung eines Berufsbildes christlicher Beratung. Anfang Februar 2002 startete das erste Modul der Supervisionsausbildung – auf gut Glauben, dass die Ausbildung vom BSO anerkannt würde. Diese Anerkennung traf kurz darauf auch ein. Die erste Diplomierung fand im August 2005 in der Helferei des Grossmünsters in Zürich statt. Insgesamt fanden drei Lehrgänge mit je durchschnittlich 10 Studentinnen und Studenten statt, viele davon waren oder sind tragende Säulen von ACC geworden und geblieben. Nachdem wir auf 2015 den vierten Lehrgang ausgeschrieben hatten, beschloss der BSO, dass alle Ausbildungsstätten sich neu zertifizieren müssen. Unser bisher bewährtes Konzept fiel durch, die religiöse Neutralität wurde zu einem KillerKriterium.

4. Krankenkassenberechtigt?

Es gab nie ernsthafte Bestrebungen in dieser Richtung.

5. Seelsorge in den Gemeinden – übergreifend gefördert?

Diese Idee wurde an zwei Tagungen mit Enthusiasmus propagiert, Modellgemeinden vorgeführt. Die Idee verlief aber im Sand – und laut Monika Riwar ist der Trend zu beobachten, dass die Gemeinden vermehrt auf ihr Eingemachtes zurückgreifen und auf übergemeindliche Inputs verzichten. Und doch ist zu bemerken, dass in den Gemeinden mehrheitlich hohe Standards an Seelsorge gelegt werden. Es wurde zur allgemeinen Kultur – auch wenn sie leider nicht übergemeindlich vernetzt ist. Dies sicher auch, weil die Anliegen von Qualität in der Seelsorge an den diversen Ausbildungsstätten inhaltlich favorisiert worden sind. Ebenso ist der Aufbau von „member care“ in Missionsgesellschaften ein Zeichen, dass Seelsorge mit Qualitätsansprüchen Einzug gehalten hat.

6. Eine gemeinsame Plattform für Seelsorge / christliche Beratung?

Da waren wir intensiv mit der VBG im Gespräch. Es scheiterte aber vordergründig an den unterschiedlichen Vorstellungen von Aufnahmekriterien für die Liste. Hintergründig war wohl auch der Anspruch auf Definitionsmacht massgebend. Inzwischen sind weitere Listen entstanden bei Beratungsverzeichnis.ch, darin sind Beraterinnen und Berater aus den verschiedensten kirchlichen, fachlichen und Fachverbänden aufgeführt.

7. Es gab intensive Kontakte mit diversen Ausbildungsstätten: ICL, bcb, Ignis, bts, Schleife, auch Bienenberg, tsc (Chrischona), TDS, Beatenberg, auch mit den beiden kirchlichen Ausbildungen cpt und sysa. Die anfänglich offenen Kontakte verliefen im Sand: die Verantwortlichen wechselten, die Institutionen waren auf Eigenständigkeit bedacht und daher wieder Grenzen ziehend, Vorbehalte einander gegenüber konnten nicht ausgeräumt werden.

 

So haben sich viele der ambitiösen Ziele in Luft aufgelöst – und doch ist einiges entstanden:

• Ca 30 von ACC ausgebildete Supervisoren.

• Ein eidgenössischer BeraterStatus.

• Vier Ausbildungsinstitutionen sind bei ACC zertifiziert (zwei davon sog. Gründungsmitglieder) und tragen den Verband mit.

• ACC gibt es noch, die Mitgliederzahl ist mit rund 200 Mitgliedern leicht gewachsen trotz vieler Abgänge. Das zeigt: es ist für Beraterinnen und Berater – vielleicht noch mehr als bei der Gründung – attraktiv, sich akkreditieren zu lassen und auf der übersichtlichen und ansprechenden Homepage präsent zu sein.

• Ein semi-professioneller Berufsstand christlicher Lebensberater entstand, speziell von vielen Frauen zum Wiedereinstieg in den Berufsalltag geschätzt. ACC wirkte als erster Fachverband in der deutschen Schweiz zur Förderung der Vernetzung und Qualitätssicherung und hatte diesbezüglich eine Vorreiterrolle auch in der säkulären Fachwelt.

• Es gibt eine Ombudsstelle mit Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhalten der Fachpersonen.

• Jedes ACC-Fachmitglied darf stolz ein Akkreditierungszertifikat in seiner Praxis aufhängen.

• Der ACC-Impuls löste europaweit Gründungen von Fachverbänden aus, über ACC kamen wir sogar mit der französischsprachigen Schweiz in Kontakt (fühlte sich wie ein Auslandskontakt an).

Ohne ambitiöses Ziel wäre wohl gar nichts entstanden.

 

Karl Flückiger (mit Ergänzungen von Philipp Probst)

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